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Der ELF-Champion von 2022 ist auf dem besten Weg, seine zweite ungeschlagene reguläre Saison in Folge zu spielen. Doch was macht die Vienna Vikings in der European League of Football bislang so erfolgreich?
Rund 20 Minuten musste Head Caoch Chris Calaycay die Medien allein unterhalten, ehe Offensive Lineman Aleksandar Milanovic mit Verspätung zum wöchentlichen Online-Pressegespräch der Vikings erschien. Der Coach gab seinem Spieler, der neben ihm Platz genommen hatte, keinen frechen Spruch mit auf den Weg. Nur einen Schulterklopfer und den Hinweis, dass die nächste Frage an ihn gerichtet sei. Lächelnd sitzen beide vor dem gemeinsamen Bildschirm und lassen sich über sich, ihr Team und den kommenden Gegner Berlin Thunder ausfragen. Eine Trainer-Spieler-Beziehung, wie sie familiärer nicht sein könnte.
Das liegt vor allem daran, wie der Trainer mit seinen Spielern umgeht. Milanovic sitzt vor der Kamera und schwärmt von seinem Coach, während dieser ihm ruhig zuhört. Er erzählt, wie lange Calaycay schon in Europa ist, dass dieser die richtige Philosophie mitbringt, von seinen Spielern nur das Beste verlangt und keine übertriebene Strenge aufdrängt.
„Er ist einfach ein richtiger Spielertrainer. Ein wahrhaftiger Spielertrainer. Er hat alles im Griff, lässt aber jeden individuell arbeiten. Sollte etwas vorfallen, wird es behoben. Aber er macht keine große Sache daraus. Und bevor ich ihm noch mehr in den Hintern krieche, belassen wir es dabei.“
Aleksandar Milanovic im Pressegespräch vor dem Spiel gegen Berlin Thunder
Beide sind auch schon lange genug im Geschäft um zu wissen, wie der Hase läuft. Calaycay ist seit 2004 im Trainerstab der Vikings und übernahm 2007 dann die Rolle des Head Coaches. Milanovic begann zwar 2005 in der Jugend der Wiener, doch zog es ihn zwischenzeitlich aber immer wieder woanders hin. Er besuchte gleich zwei Colleges in Amerika. Sowohl an der California State University als auch an der Adams State University verfeinerte er seine Footballkünste. Nach einer kurzen Rückkehr nach Österreich ging es weiter nach Finnland und auch nach Bosnien-Herzegowina. Seit 2022 ist Milanovic aber fixer Bestandteil seines aktuellen Arbeitgebers. Nirgendwo fühlte er sich aber so wohl, wie bei den Vikings:
„Um ein erfolgreiches Team zu sein, braucht es mehr als nur talentierte Spieler. Auch die äußeren Faktoren spielen eine Rolle. Und diese Faktoren waren, sind und werden immer in Wien gegeben sein. Die Verbundenheit, die Brüderlichkeit, das Verhältnis zu den Coaches, zu den Mitarbeitern – seit das hier ein professionelles Franchise ist, sind diese Faktoren noch einmal auf einem ganz anderen Level. Am Ende ist es einfach die Teamkultur, die den Unterschied macht. Stellt euch vor: die besten Spieler der Liga, keine Diven und selbständige Leute im Team. Könnt ihr euch das vorstellen? Wir haben das hier nämlich. Du glaubst, du bist etwas Besonderes? Hier bist du es sicher nicht.“
Aleksandar Milanovic im Pressegespräch vor dem Spiel gegen Berlin Thunder
Auch der Erfolg gibt den Männern Recht. In der vergangenen regulären Spielzeit verlor man kein einziges Spiel. Auch in dieser Saison sind die Vikings auf dem dem besten Weg, keine einzige Niederlage zu kassieren. Zwar gab es auch einige knappe Spiele in diesen zwei Jahren, aber im Vergleich zu anderen Spitzenteams erlaubte man sich keine Ausrutscher. Der amtierende Meister Rhein Fire verlor nach einem schwierigen Saisonstart gegen das neue Franchise der Madrid Bravos. Stuttgart patzte in der vergangenen Saison gegen die (damals noch) Helvetic Guards.
Zwar gab es auch in dieser Saison Spiele, in denen die Vikings nicht die Dominanz zeigten, die sich Fans vielleicht erhofft hatten. Doch am Ende stand immer ein Sieg zu Buche. Das Low-Scoring-Game gegen die Panthers Wroclaw konnte mit drei Punkten Unterschied gewonnen werden. Im Hinspiel gegen Berlin Thunder war es ein Comeback im letzten Viertel, welches zum Sieg führte. Auch die vergangenen beiden Partien gegen die Raiders Tirol und die Helvetic Mercenaries wurden erst im vierten Viertel entschieden.
Woran liegt es, dass die Vikings diese knappen Spiele dann doch immer wieder für sich entscheiden können? Woran liegt es, dass der ELF-Champion von 2022 immer wieder Wege findet, auf der Gewinnerseite zu stehen? Schon beim Comeback-Win gegen Berlin Thunder am vierten Spieltag der Saison erklärte Milanovic, warum man die Vikings nie abschreiben darf:
„Ich sage nur eines: Gegen die Vienna Vikings musst du vier Viertel spielen. Egal wie das Spiel verläuft – diese Mannschaft ist der Wahnsinn. Das sind meine Brüder, die reißen sich für genau diese Momente den Arsch auf. Und wenn wir im vierten Viertel merken, dass du müde bist, dann brechen wir dich und dann holen wir uns den Sieg.“
Aleksandar Milanovic gegenüber Puls 24 nach dem Heimsieg gegen Berlin Thunder
Head Coach Chris Calaycay hob auch noch einmal die Leistungen seiner eigenen Spieler hervor. Er lobte sowohl seine Offensive Line als auch seine Receiver Noah Touré und Reece Horn. Auch Quarterback Ben Holmes, der trotz Verletzungspause statistisch gesehen zu den besten Quarterbacks der Liga gehört, bekommt seine Lorbeeren ab. Der Coach weiß auch, wie eine solch starke Chemie zwischen den Spielern innerhalb der Mannschaft entsteht.
„Es sind nicht nur die Spieler aus Wien, sondern auch jene wie etwa aus Salzburg und Graz, die dazu beitragen. Die Spieler wachsen durch das Nationalteam quasi zusammen auf. Es ist einfach die österreichische Football-Kultur, die auch von außen mit in die Mannschaft getragen wird.“
Head Coach Chris Calaycay im Pressegespräch vor dem Spiel gegen Berlin Thunder
Am kommenden Sonntag treten die Vienna Vikings zum Rückspiel bei Berlin Thunder an. Die Berliner sollten im letzten Viertel nicht den Fuß vom Gaspedal nehmen, sonst sind die Vikings wieder zu Stelle.