Sarah Philipp
Die aufgekündigte Transferregel zwischen der European League of Football und dem AFVD beschäftigt weiterhin die Gemüter. Die beiden Seiten schieben sich gegenseitig die Schuld für die gescheiterte Kooperation zu. Während die endgültige Wahrheit vermutlich nie herauskommen wird, sorgt die teils aggressive PR seitens der ELF für Verwunderung. „Warum die verbale Offensive der ELF Fragen aufwirft“, titelte Stefan Klüttermann, Leiter der Sportredaktion der Rheinischen Post, jüngst in einer Kolumne zu dem Thema.
Mit seiner Frage hat er nicht ganz Unrecht, denn eine wirkliche Erklärung sucht man rund drei Wochen danach immer noch vergebens. Schließlich war der Commissioner Patrick Esume über die komplette Saison ein knallharter Verfechter der Regel. Beispiele dafür gibt es einige. So musste Wide Receiver Bryan Zerbe nach seinem Wechsel von den Berlin Adler zu Berlin Thunder die drei Spiele Sperre absitzen. Besonders hart erwischte es den US-Amerikaner JJ Hopp-Brania. Ursprünglich kam der Wide Receiver zu den Schwäbisch Hall Unicorns, dort war er als Ersatz für Jason-Matthew Sharsh vorgesehen, der vor einem Wechsel zu Rhein Fire stand.
Doch bereits kurz nach der Ankunft von Hopp-Brania platzte der Wechsel des Mannes, den er eigentlich ersetzen sollte: Die Hoffnung von Fire, dass Sharsh wegen seiner Herkunft aus Samoa als E-Import auflaufen könnte, hatte sich zerschlagen. Nach Gesprächen mit den Coaches in Schwäbisch Hall kehrte er zurück, was gleichbedeutend mit der Tatsache war, dass Hopp-Brania nun nicht mehr gebraucht wurde. Also schlugen die Barcelona Dragons zu. Doch zu einem Einsatz kam es nicht, denn wenig später implodierte die Lage in Katalonien und wegen der ausstehenden Gehaltszahlungen weigerte sich ein Großteil der Spieler wieder für die Dragons aufzulaufen.
Auch Hopp-Brania stand nur an der Seitenlinie, allerdings nicht nur wegen des Protests, sondern auch wegen der neuen Transferregel. Er hatte am 29. Juni für die Unicorns gegen die ifm Razorbacks Ravensburg gespielt, sodass er somit unter das PTC-Agreement Paragraph 7.1 der ELF fiel. Dort steht unter Punkt c: „Sofern der Spielertransfer während der Gültigkeitsdauer des vorliegenden Reglements für Spielertransfers 2024 im Zeitraum vom 1. März bis zum 31. Juli 2024 stattfindet, ist der Transfer auf der Grundlage einer gemäß dem vorliegenden Reglement für Spielertransfers 2024 ausgestellten PTC zulässig, führt jedoch zu einer automatischen Sperre für die ersten drei (3) aufeinanderfolgenden Spieltage in der European League of Football der Franchise, die den Spieler mit PTC akzeptiert.“ Gemeinsam mit seiner PR-Beraterin intervenierte er gegen diese Sperre und verwies auf seine Situation, die mit der „äußersten Unprofessionalität“ behandelt wurde, wie es in einer Mail an die Liga, die Foot Bowl exklusiv vorliegt, heißt. Doch die Liga blieb auf Rückfrage der Beiden hart und verwies auf die Tatsache, dass Hopp-Brania von dieser Regelung hätte wissen müssen.
Während das jedoch soweit bekannt ist, endet der Fall des 28-Jährigen nicht in Spanien. Er ging zu den Vienna Knights in die Division 1, der zweiten österreichischen Liga, und spielte am 13. Juli im Playoff-Halbfinale gegen die Graz Styrian Bears. Im Anschluss unternahm er einen neuen Versuch, um sich seinen Wunsch, in der ELF zu spielen, zu erfüllen. Der US-Amerikaner erhielt zwei Angebote, die heißeste Spur führte zu den Hamburg Sea Devils. Foot Bowl weiß: Er hatte bereits einen unterschriftsreifen Vertrag vorliegen und füllte alle notwendigen Dokumente aus. Am 15. Juli sollte das Arbeitsverhältnis „vorbehaltlich aufenthaltsrechtlicher Voraussetzungen“, wie es in Paragraph eins heißt, beginnen. Genau dazu kam es dann jedoch nicht, denn die ELF verweigerte eine Freigabe und setzte stattdessen die Sperre wieder in Kraft. „Das ist eine unverhohlene Diskriminierung ohne Grund“, kritisiert Lee Johnson, die PR-Beraterin von Hopp-Brania.
Warum ist also Patrick Esume, der auf eine Nachfrage von Johnson nicht reagiert hat, plötzlich von einem Verfechter der Regel hin zu dem Mann geworden, der diese Regel einseitig aufgekündigt hat und große Vorwürfe formuliert? Er selbst geht in die Offensive und sucht die Schuld für das Scheitern bei den Landesverbänden.
„Wir haben wirklich alles in unserer Macht Stehende versucht und immer wieder die Hand ausgestreckt, das Präsidium und der Präsident wollten diese Hand auch nehmen und zusammen den Sport nach vorne treiben. Aber wenn der Rest des Verbands dann nicht möchte, dann sind auch ihm die Hände gebunden“
schilderte Esume jüngst im Interview bei ran
Doch es gibt auch eine andere Seite der Medaille. Auf Nachfrage von Foot Bowl erklärte der American Football und Cheerleading Verband Nordrhein-Westfalen, dass er sehr wohl an einem Austausch interessiert ist. So habe es bereits mehrere Gesprächsangebote seitens des Präsidenten Peter Springwald an Rhein Fire und die Cologne Centurions gegeben. Allerdings ließen die beiden Franchises die Einladung zu zwei Präsidiumssitzungen ebenso sausen, wie auch der aktuelle General Manager von Fire, Max Paatz, zwei Termine mit Springwald platzen ließ. Auch ein Gesprächsangebot von Esume verlief im Sand. „Wir haben den Eindruck, dass man mit uns nicht reden will“, meint Pressesprecher Andreas Heinen. Daran ändert auch nicht das jüngste Gespräch Ende Oktober, das ergebnislos verlief.
In der Kritik steht auch der Umgang mit den Coaches. So wurde jüngst Shuan Fatah als Head Coach der Football-Nationalmannschaft entlassen, da er den HC-Posten der Hamburg Sea Devils übernommen hat. „Da muss man auch die Konsequenz daraus ziehen, wenn Trainer aus der Nationalmannschaft geschmissen werden, weil sie in der European League of Football tätig sind. Was für mich einfach bizarr ist“, monierte Esume bei ran. Der AFVD hält jedoch dagegen. „Die Anforderungen an die Nationalmannschaft sind hoch, und eine Doppelbelastung lässt sich mit diesen Ansprüchen langfristig nicht vereinbaren“, erklärte Vizepräsident Andreas Kegelmann in einer Verbandsmitteilung.
Derweil hält sich in GFL-Kreisen härtnäckig das Gerücht, dass die Ursache für die Aufkündigung der Transferregel drei Buchstaben trägt: FFA. Die von elf Franchises gegründete Interessenvertretung Franchise Football Association fordert mehr Mitsprache und eine bessere Zusammenarbeit mit der Ligaführung. Jüngst kritisierte ein Sprecher die Liga, dass sie ihren finanziellen Versprechungen gegenüber den Franchises nicht nachkomme.
Gründe, diese Regelung auslaufen zu lassen, hätten die deutschen Teams auf jeden Fall. Schließlich lassen sich während der Saison kaum kurzfristige Nachverpflichtungen realisieren. In der abgelaufenen Spielzeit gab es nur drei Wechsel von AFVD-Teams in die ELF, im Jahr zuvor waren es noch zehn. Das große Problem: In anderen Ländern endet spätestens zur Transfer-Deadline die Runde, während sie in Deutschland noch in vollem Gange ist – ein Nachteil für Rhein Fire, Stuttgart Surge und Co.
Während die FFA sich auf Anfrage nicht zu der Thematik äußern will, tut dies der amtierende Champion. „Die Transferregelung war für die deutschen ELF-Teams sehr ungünstig, weil diese eben nur für die deutschen ELF-Teams gegolten hat. Andere Teams, wie beispielsweise in Österreich, konnten faktisch jederzeit noch Spieler aus der nationalen Meisterschaft hochziehen, insbesondere noch vor den Playoffs und nach dem Ende der nationalen Liga. Auf die Dauer hätte dies zu einem Ungleichgewicht geführt“, kritisiert Martin Wagner, Co-Owner von Rhein Fire, gegenüber Foot Bowl.
Zudem könnte ihm und seinen deutschen Kollegen auch Paragraph 72 der BSO ein Dorn im Auge gewesen sein. Hier werden die internationalen Spielerwechsel, zu denen auch die Wechsel aus der ELF zu einem AFVD-Team zählen, geregelt. Dort heißt es: „Erfolgt der Wechsel nach dem 1. März und besaß der Spieler eine Spielberechtigung für einen Spielbetrieb, der nach dem 1. März endete, erhält der Spieler eine Wechselsperre nach §64. Diese Wechselsperre kann gegen Zahlung einer Gebühr gemäß §146 erlassen werden.“ In der Gebührenordnung heißt es, dass die Sperre gegen eine Zahlung in Höhe von 150 Euro aufgehoben werden kann. Von dieser Regel haben einige Teams Gebrauch gemacht. So lief beispielsweise D-Liner Tim Wüstenfeld nach seinem Weggang von den Cologne Centurions im nächsten Match für die Paderborn Dolphins auf. So etwas war in der ELF nicht möglich.
Mit der aufgekündigten Transferregel können die GFL-Teams diese Summe zwar einsparen, dennoch herrscht nun wieder Unsicherheit, ob nicht plötzlich ein Spieler mitten in der Saison wechselt. Das könnte wieder zu derart viel Frust führen wie einst bei Quarterback Janis Kaiser. Nach seinem Wechsel von den Saarland Hurricanes zu Stuttgart Surge wurde er vom Hurricanes-Geschäftsführer Hans Hennrich zur Persona non grata erklärt. Für Wagner ist dies der falsche Weg. „Wir empfinden es als Trauerspiel, dass ELF und AFVD offensichtlich wieder weiter auseinanderrücken, nachdem man zuletzt gute Ansätze der Zusammenarbeit sehen konnte“, so der Fire-Gesellschafter. Dafür bedarf es jedoch eines konstruktiven Austausch, in dem der Wohle des Sports im Vordergrund steht.
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