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Foto: Foot Bowl/Just Shots

Nach einem Jahr voller Unsicherheit, interner Umbrüche und finanzieller Herausforderungen steht Berlin Thunder erneut am Wendepunkt. Das Franchise, das in der European League of Football (ELF) lange um ihre Zukunft bangen musste, arbeitet an einem kompletten Neustart – wirtschaftlich, sportlich und kulturell.

Im Mittelpunkt dieser Transformation steht Rasheed Moka. Der junge General Manager hat das Franchise zu Beginn des Jahres 2025 übernommen, nachdem zuvor Björn Werner und Diana Hoge ausgeschieden waren. Gemeinsam mit Uwe Kramer begann er die Sanierung. Heute leitet er Thunder allein. Im Gespräch mit Foot Bowl zeigt Moka, wie das Franchise die Insolvenz überlebt, welche Lehren es gezogen hat und warum er fest davon überzeugt ist, dass Berlin eine Zukunft im europäischen Football hat.

Die Insolvenz – Sanierung unter Druck

Kaum ein Thema hat Thunder so geprägt wie die Insolvenz. Die Entscheidung, das Verfahren in Eigenverwaltung durchzuführen, war laut Moka „die einzige Möglichkeit, den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten und gleichzeitig eine Sanierung zu ermöglichen“.

„Wir sind in den finalen Zügen mit dem Sachverwalter und dem Gericht, das Verfahren abzuschließen, und damit dann eine saubere Firma zu haben“

Das Verfahren ist noch nicht vollständig abgeschlossen, aber kurz davor. In der Zwischenzeit lief der Spielbetrieb weiter, Rechnungen und Gehälter wurden nach Mokas Aussage „wie vertraglich vereinbart“ bezahlt. Für ihn war diese Zeit keine Selbstverständlichkeit, schließlich haben andere ELF-Franchises wie zum Beispiel Leipzig den Spielbetrieb nicht durchhalten können. Auch Franchises wie die Cologne Centurions kamen ins wanken.

„Viele Organisationen sind daran zerbrochen. Wir nicht. Und darauf bin ich stolz – auf unsere Spieler, Coaches und die Menschen im Hintergrund, die trotz aller Unsicherheit weitergearbeitet haben“

Ein entscheidender Erfolgsfaktor war das Sanierungskonzept, das das Gericht überzeugte. Neue Investoren, die im Verlauf des Verfahrens eingestiegen sind, sollen künftig Stabilität bringen. Die Franchise bleibt als GmbH bestehen, die Eigentümerstruktur wird aber angepasst.

Kader und Coaches 2025 – NFL-Erfahrung, Lokalkolorit und neues Denken

Sportlich schlägt Thunder ebenfalls ein neues Kapitel auf. Nach einer schwierigen Saison formiert sich das Team um einen neuen Trainerstab, angeführt von Head Coach Phil McGeoghan, einem Mann mit NFL-Vergangenheit und einer besonderen Verbindung zu Berlin: Er gewann 2001 mit Berlin Thunder den World Bowl.

„Ich wollte unbedingt einen Head Coach mit NFL-Erfahrung. Phil bringt die Vision, Prozesse zu beschleunigen, Talente zu entwickeln und Strukturen aufzubauen.“

Unterstützt wird McGeoghan von Offensive Coordinator Leeroy Foster, der den Berliner Footballmarkt seit Jahren kennt. Für Moka ist die Kombination ideal:

„Wir haben Spieler, die Vollzeit arbeiten und trotzdem Leistung bringen. Dafür braucht es Coaches, die das verstehen und Trainer, die wissen, wie man Profistrukturen einführt. Diese Mischung verkörpern Phil und Leeroy perfekt.“

Ein Kader mit Perspektive

Im Zentrum des neuen Teams stehen junge, entwicklungsfähige Spieler mit klarer Vision. Wide Receiver Tyler Foster bleibt in Berlin, Running Back Chrisman Kyei verstärkt die Offense. Beide sollen Aushängeschilder einer neuen Philosophie werden – einer, die auf Entwicklung statt auf teure Imports setzt.

„Ich will Spieler, die ein Bild von sich haben, die ein Brand aufbauen wollen, um sich zu behaupten – in Europa und vielleicht eines Tages in den USA.“

Auch die Arbeit am neuen Defense Staff läuft. Der Defensive Coordinator steht noch nicht offiziell fest, Moka verspricht aber: „Es wird schön.“

Ziel ist es, den sportlichen Unterbau mit einer klaren Identität zu versehen. Berlin soll künftig nicht nur auf kurzfristigen Erfolg setzen, sondern als Standort nachhaltig Spieler entwickeln, die in Pathway- oder NFL-Programme wechseln können.

Tyler Foster – Foto: Foot Bowl/Klaus Sack

Kooperationen und die Berliner Football-Community

Ein Thema, das Moka besonders wichtig ist, ist die Zusammenarbeit innerhalb der Berliner Football-Szene. In der Vergangenheit gab es kaum Austausch zwischen Thunder und den Traditionsvereinen der Hauptstadt. Das soll sich ändern.

„Thunder wird immer die Tür aufmachen. Wir alle arbeiten für denselben Sport. Wenn wir in Berlin erfolgreich sein wollen, müssen wir uns gegenseitig unterstützen.“

Bisher existiert keine formale Partnerschaft, aber Moka möchte Gespräche mit den Berlin Rebels, Adlern oder auch Vereinen aus dem Umland aufnehmen. Sein Ziel ist eine gemeinsame Football-Kultur, in der sich alle Ebenen – vom Jugend- bis zum Profibereich – gegenseitig ergänzen.

Berlin hat nach Mokas Einschätzung das Potenzial, ein „Football-Ökosystem“ zu schaffen, in dem lokale Talente wachsen und Profis sich weiterentwickeln können. Rivalitäten sollen Kooperationen weichen.

Nachwuchsarbeit und Philosophie – Spieler als Marke

Moka versteht Thunder als mehr als nur ein Profiteam. Seine Vision: ein Programm, das Nachwuchsspieler fördert, sichtbar macht und langfristig hält.

„Unsere Verpflichtung ist, den Nachwuchs auf diese Chance vorzubereiten. Wir müssen Strukturen schaffen, die ihnen ermöglichen, sich zu entwickeln.“

Das bedeutet auch, Spieler in den Mittelpunkt zu stellen, die nicht nur sportlich, sondern auch medial und charakterlich wachsen wollen. Thunder will ein Umfeld bieten, in dem Athleten lernen, ihre Marke aufzubauen – über Social Media, Medienauftritte und Community-Engagement.

„Wenn wir es schaffen, unsere Jungs in den USA zu platzieren, begeistern wir auch den Nachwuchs hier. Das hat uns in den letzten Jahren gefehlt.“

Stadion 2026 – raus aus dem Preußenstadion, offen für neue Wege

Die Saison 2025 trug Thunder im Preußenstadion aus, eine Notlösung, die weder infrastrukturell noch optisch den Ansprüchen der Liga genügte. Für 2026 ist eine Rückkehr dorthin ausgeschlossen.

„Wir werden 2026 nicht im Preußenstadion spielen. Es gibt zwei tolle Optionen, mit denen wir aktuell arbeiten.“

Diese Optionen liegen nicht zwingend innerhalb der Berliner Stadtgrenzen. Thunder prüft auch Standorte im Berliner Umland, wo Genehmigungen, Platzkapazitäten und Unterstützung oft unkomplizierter sind. Eine Entscheidung soll in den kommenden Wochen fallen.

Langfristig plant das Franchise aber größer: Ein eigenes Trainings- und Spielgelände – gebaut und finanziert aus eigenen Mitteln.

„Wir müssen anfangen, wirtschaftlich zu denken und uns unabhängig zu machen von dem, was die Stadt uns gibt“

Das Vorbild ist Union Berlin: Schrittweise Aufbauarbeit, zunächst ein Trainingsplatz, dann eine Anlage für Thunder, Flag Football und Nachwuchsprogramme. Ein Zuhause „von Thunder für Thunder“.

Namensrechte – Thunder bleibt Thunder

In einer Zeit, in der sich die Liga-Strukturen verändern, stellen sich viele Franchises die Frage nach Markenrechten der Namen. Doch Moka bleibt ruhig:

„Berlin Thunder als Name und als Logo ist erst mal genau so, wie es sein soll. Den Namen halten wir in der Lizenz.“

Aktuell besteht keine Notwendigkeit, den Namen zu ändern. Sollte sich die Faktenlage durch die Neustrukturierung der Ligen ändern, ist man vorbereitet. Ideen für Alternativen liegen in der Schublade. Doch bis dahin gilt: Thunder bleibt Thunder.

Sponsoren und wirtschaftliche Perspektive

Die finanzielle Lage bleibt ein sensibles Thema. Moka bestätigt, dass Sponsoren derzeit vorsichtig agieren, solange es keine finalen Informationen über TV-Verträge und Spielpläne gibt. Dennoch sieht er positive Entwicklungen.

„Natürlich ist das schwer. Solange der TV-Deal nicht offiziell ist, sind Sponsoren vorsichtig. Aber wir führen gute Gespräche.“

Einige Partner hätten ihre Bereitschaft signalisiert, nach Abschluss des Insolvenzverfahrens und dem Start der EFA einzusteigen. Das Franchise arbeitet daran, Vertrauen aufzubauen, durch Transparenz, sportliche Kontinuität und klare Kommunikation.

EFA-Beitritt und Saison 2026 – Neustart auf europäischer Bühne

Berlin Thunder wird 2026 Teil der neuen European Football Alliance (EFA) sein, jener Liga, die aus den besten Teams der ELF hervorgeht. Für Moka ist der Beitritt ein Neuanfang mit klarer Perspektive.

„Wir werden gegen die großen Franchises spielen und 2026 Teil der neuen Liga-Struktur sein.“

Die EFA soll stabilere wirtschaftliche Grundlagen bieten, aber auch mehr Einfluss für die Teams selbst. Für Thunder bedeutet das: neue Chancen, neue Bühne und attraktive Gegner. Moka erwartet, dass Berlin als Hauptstadtstandort eine zentrale Rolle spielen wird, vorausgesetzt, man nutzt die Gelegenheit, eigene Strukturen zu stärken und die Fans zurückzugewinnen.

Spielermentalität und Teamkultur

Moka weiß, dass Vertrauen verloren wurde – bei Spielern, Fans und Sponsoren. Doch er glaubt an einen Neuanfang.

„Ich wünsche mir, dass so viele Spieler zurückkommen – mit dem richtigen Mindset und Herzen für Thunder.“

Er räumt Fehler der Vergangenheit ein, betont aber den Wert derer, die geblieben sind. Das Franchise wolle künftig gezielter mit Spielern arbeiten, die Football als Beruf verstehen und bereit sind, zwei Jahre lang alles zu investieren.

„Wir wollen Spieler, die Verantwortung übernehmen und sich als Teil von etwas Größerem sehen. Wer nur kommt, um eine Saison abzusitzen, passt nicht mehr in dieses Programm“

Vision für Berlin – Kultur, Identität und Verantwortung

Am Ende des Gesprächs wird klar, dass Moka über die reine Sanierung hinausdenkt. Er will eine Football-Kultur für Berlin aufbauen – vergleichbar mit Wien oder Tirol.

„Wir müssen unsere eigene Kultur finden. Wenn wir das schaffen, kann Berlin zur Football-Hauptstadt Europas werden.“

Berlin, sagt er, sei prädestiniert für internationalen Football: multikulturell, kreativ, voller Potenzial. Doch bislang fehle eine gemeinsame Identität.

„Wenn wir nicht international sind – wer dann?“

Sein Ziel: aus Vielfalt Stärke machen. Spieler, Fans und Vereine sollen gemeinsam eine Marke schaffen, die über die Stadt hinausstrahlt – eine, die Berliner Thunder zu einem Symbol des europäischen Footballs macht.

Fazit

Berlin Thunder steht an einem Scheideweg, zwischen Vergangenheit und Zukunft, Krise und Neuanfang. Unter Rasheed Moka soll aus einer wackelnden Franchise ein stabiles, glaubwürdiges und inspirierendes Projekt werden.

Die Insolvenz ist fast überstanden, neue Coaches bringen frischen Wind, ein Stadion-Plan steht kurz bevor, die EFA ruft. Doch der wahre Wandel beginnt im Inneren: im Denken, im Handeln, im Glauben daran, dass Football in Berlin mehr sein kann als ein Nebenprojekt.

„Berlin ist prädestiniert für europäischen Football. Wir müssen nur den Mut haben, unseren eigenen Weg zu gehen.“

In der aktuellen Newszone ist ein Interview mit Thunder GM Rasheed Moka

Hendrik

Hendrik gründete Foot Bowl am 30. April 2021. Mail: footbowl@gmx.net

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