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Foto: Foot Bowl/Klaus Sack

Die Stuttgart Surge ist insolvent und zwei der erfahrensten Coaches Europas, Shuan Fatah und Martin Hanselmann, haben im Footballerei Hautnah Podcast kein Blatt vor den Mund genommen. Ihre Kritik geht weit über Stuttgart hinaus: Es ist eine Fundamentalkritik am Umgang vieler Franchises mit Verantwortung, Geld und sportlicher Kultur.

„Ich übernehme Verantwortung – andere hätten es auch tun müssen“

Shuan Fatah, Head Coach der Raiders Tirol und zuvor der Hamburg Sea Devils, holt tief aus. Er macht klar, warum die Situation für ihn so emotional ist.

„Da wird einfach eine Truppe zusammengekauft für Geld, das man nicht hat – und da kann mir keiner erzählen, dass das niemand im Trainerstab bemerkt hat. Ihr merkt ja, wie sehr mich das ärgert. Das ist auch mein Football. Ich habe 35 Jahre meines Lebens investiert, ich habe Fehler gemacht wie jeder andere, aber ich weiß ganz genau, wann meine Verantwortung beginnt. Und spätestens dann, wenn ich merke, dass wir die nächste Saison nicht antreten können, weil wir unser Budget sprengen, dann höre ich auf. Das ist meine Pflicht als Trainer. Und wenn man das ignoriert, wenn man trotzdem weitermacht – dann trägt man Verantwortung daran, was jetzt passiert ist.“

Shuan Fatah im Footballerei Hautnah Podcast

Für ihn steckt hinter der Insolvenz nicht nur ein Managementfehler, sondern ein generelles strukturelles Problem im Umgang mit Geld, Ambitionen und Realität.

„Ich kann fast nicht glauben, dass im Trainerstab niemand darüber gesprochen hat, ob das Geld wirklich da ist. Viele von diesen Spielern hätten auch bei anderen Teams unterschreiben können, aber sie sind nach Stuttgart gegangen, weil ihnen dort mehr geboten wurde. Und komischerweise landen diese Spieler dann immer bei den Teams, die später finanzielle Probleme haben.“

Shuan Fatah im Footballerei Hautnah Podcast

„Ich hätte vor vier Jahren sagen können, dass es so endet“

Martin Hanselmann, 2021–2022 selbst Head Coach der Surge und eine prägende Figur der deutschen Football-Szene, sieht die Entwicklung mit bitterer Klarheit. Für ihn war der Crash absehbar – lange bevor Stuttgart Champion wurde.

„Ich sage das ohne Verbitterung, aber ich hätte vor vier Jahren schon sagen können, dass es so ausgehen wird. Man hat nicht auf die natürliche Entwicklung gewartet, sondern wollte mit Gewalt schnell groß werden. Man hat versucht, ein amerikanisches System zu kopieren, ohne zu verstehen, wie die deutsche Sportkultur funktioniert. Am Ende bleiben die bunten Bilder – aber dahinter ist nichts. Ich kenne das, ich habe das alles schon erlebt. Die Lernkurve ist flach. Es wurde nicht vernünftig aufgebaut, nicht solide gewirtschaftet. Und genau so endet es dann.“

Martin Hanselmann im Footballerei Hautnah Podcast
Foto: Hendrik Müller

Besonders schmerzt ihn, dass er selbst Teil des Anfangs war:

„Ich freue mich unglaublich für die Spieler, dass sie den Titel geholt haben, wirklich. Aber ich war einer der Gründe, dass es die Surge überhaupt gibt. Und wenn ich jetzt sehe, wie dieses Projekt endet, dann tut das weh. Das war nie der Weg, den ich mir vorgestellt hatte.“

Martin Hanselmann im Footballerei Hautnah Podcast

„Sie verbrennen Investoren, Fans und Spieler“

Für beide Coaches geht der Schaden weit über Stuttgart hinaus. Fatah beschreibt eindrücklich, was die Insolvenz bedeutet:

„Was hier gerade passiert, zerstört Vertrauen. Man verbrennt Investoren, man verbrennt Fans, man verbrennt Spieler, die gehofft haben, damit ihre Karriere starten zu können. Diese jungen Athleten arbeiten hart, neben ihrem Job, neben ihrem Studium, und sie träumen von etwas. Und dann verkauft man ihnen Träume, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Das tut weh. Und das ist nicht nur ein Stuttgart-Problem. Das ist ein Problem, das wir inzwischen bei mehreren Top-Teams sehen.“

Shuan Fatah im Footballerei Hautnah Podcast

Auch Martin Hanselmann macht deutlich, was sportlich verloren geht:

„Stuttgart war eine Wonne anzuschauen. Die hatten eine Defense, die war herausragend. Die Coaches haben einen super Job gemacht und die Spieler waren eine absolute Ausnahmeerscheinung im europäischen Football. Aber wenn klar ist, dass so ein Gebilde nicht nachhaltig ist, dann muss jemand eingreifen. Da muss irgendwo einer mit spitzem Bleistift sitzen, der sagt: ‚Jungs, es gibt kein Geld mehr.‘ Und ich frage mich: Wo war dieser Mensch? Bei vielen Teams, nicht nur bei Stuttgart.“

Martin Hanselmann im Footballerei Hautnah Podcast

Am Ende steht ein Fazit, das wie ein Weckruf klingt. Die Insolvenz der Stuttgart Surge ist kein isoliertes Ereignis. Sie ist das sichtbar gewordene Ergebnis eines Systems, das in Teilen schneller wachsen wollte, als es wirtschaftlich verkraftbar war. Fatah und Hanselmann haben es klar ausgesprochen. Jetzt liegt es an den Verantwortlichen, zu reagieren.

Foot Bowl hat bei Stuttgart Surge nachgefragt:

„Wir haben uns keine Meisterschaft erkauft.  Mit Blick auf unser Roster, der drei Jahre lang relativ konstant geblieben ist, erübrigt sich eine solche Behauptung meines Erachtens. Ganz im Gegenteil, wir haben 2025 im Bezug auf den Cap Space mehr als effizient gewirtschaftet. Ein Football-Team hat generell hohe Ausgaben und die Thematik der großen Herausforderung, diese Kosten zu stemmen, ist in Europa allgemein und franchiseübergreifend bekannt. Da sind wir kein Einzelfall. Wir lassen uns daher an der sportlichen Erfolgsgeschichte der Stuttgart Surge durch finanzielle Herausforderungen nichts schmälern. Wir sind amtierender European Champion im American Football einzig und allein durch die herausragenden Leistungen unserer Trainer und unserer Spieler.“

Surge-Pressesprecher Sascha Müller

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Hendrik

Hendrik gründete Foot Bowl am 30. April 2021. Mail: footbowl@gmx.net

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