Jonny
Es ist eigentlich ein gewöhnlicher Abend unter der Woche, allerdings nicht für mich. Ich nähere mich einer Sportstätte auf der Waldau.
Noch kann ich durch das dichte Gebüsch nichts erkennen, aber ich höre mehrere Pfiffe hintereinander. Immer kurz aufeinanderfolgend. Gleich biege ich um die Ecke und laufe am ersten Auto mit Teambeschriftung vorbei in Richtung Spielfeld.
Angekommen beim Training
Nun erblicke ich die ersten aufblitzenden ELF-Helme. Nur noch wenige Meter und ich bin am hell erleuchteten Gridiron angekommen, auf dem Stuttgart Surge sein Training abhält. Da es keine Yard Lines gibt, ist es streng genommen nur ein normaler Fußballplatz. Aber es trainiert immerhin ein American Football Team darauf und es gibt auch eine durch das Team gestellte Chain Crew.
Im auffälligen Trainingsanzug erblicke ich den zu diesem Zeitpunkt noch aktuellen Headcoach Martin Hanselmann, der laute und klare Ansagen in Richtung des Quarterbacks und den darumstehenden Spielern macht. Für die nächste Formation braucht es noch einen Guard, der sogleich auf seine Position läuft.
Noch einmal erklärt er genau den Spielzug aus dem Offense-Playbook, die Positions werden eingenommen und der HC löst diesen mit einer lauten Ansage aus. Nach getanem Movement laufen alle Spieler zurück auf ihre Ausgangsposition, bevor der Spielzug wiederholt wird. Der HC ist zufrieden, der QB macht einen lustigen Spruch und der nächste Spielzug wird trainiert.
Neben mir steht Nader vom Surge OFC United, der übrigens in Folge #01 von Foot Bowl zu Gast war 😁, und wir quatschen ein bisschen. Er ist gerade daran, die letzten Dinge für die bevorstehende Fahrt nach Wrocław abzuklären. Der offizielle Fanclub der Stuttgart Surge fährt fast zu jedem Auswärtsspiel, was mich wirklich schwer beeindruckt.
Um eine bessere Sicht auf das Training zu bekommen, laufe ich noch etwas um das Spielfeld herum und treffe bei der virtuellen Teamzone auf Timo Franke (Sponsoring & Partners), der ebenfalls das Training beobachtet. Auch Jeremy Bryson (Football Operations) kommt kurz angelaufen und begrüßt uns herzlich. Wir halten etwas Smalltalk. Die Stimmung im Team scheint gut zu sein und das Training läuft konzentriert und fokussiert ab.
George Streeter, zu diesem Zeitpunkt noch Running Backs Coach und Co-Offensive Coordinator, nutzt am linken Spielfeldrand die Gelegenheit mit einigen Spielern, die aktuell nicht vom damaligen Headcoach für die Einübung von Spielzügen gebraucht wurden, ebenfalls etwas zu trainieren.
Währenddessen haben sich einige Spieler an der Line of Scrimmage formiert, wobei sich D-Line und O-Line durch bunte Überzieher auf den Helmen unterscheiden. Es folgen einige Moves, die per Kamera für die spätere Analyse und Auswertung aufgenommen werden.
Langsam wird es dunkel und auch etwas kühler, weshalb ich meine Jacke anziehe, während die Spieler ordentlich beim Training schwitzen. Einige kommen zu uns rüber zum kurzen Ausruhen und Trinken. Inzwischen ist auch Suni Musa (General Manager) auf dem Spielfeld angekommen und schaut sich das Training persönlich an. Vor mir liegt so ein schöner glänzender Surge Helm und ich stelle mir vor, wie toll doch so einer in meinem ELF-Regal aussehen würde 😉.
Abrupt werde ich aus meinen Gedanken gerissen, da Martin Hanselmann plötzlich „Goal Line“ ruft und sich der ganze Spielertrott in Richtung Endzone in Bewegung setzt. Auch hier werden einige Spielzüge angesagt und durchgeführt. Derweil macht „der Kicker“ einige Trainingsschüsse in Richtung der imaginären, gelben Pfosten und ich überlege, ob ich das Wilson-Ei wohl auch gezielt wegklopfen könnte. Schnell verwerfe ich den Gedanken, da mir mein fehlendes Fußballtalent wieder einfällt.
So vergeht die Zeit wie im Flug und ich bemerke irgendwann, dass es schon richtig spät geworden ist. Die Spieler laufen sich noch etwas zum Cool Down aus und die Coaches besprechen noch einige Dinge mit dem ein oder anderen Spieler. Danach ziehen sich die Spieler in einer Ecke des Feldes zum Umziehen zurück. Umkleide oder Duschmöglichkeiten gibt es hier für sie wohl nicht.
Nachdem intern alles zu Ende besprochen ist, haben tatsächlich Suni und Martin noch kurz Zeit für mich und wir tauschen uns noch etwas aus. Die Spieler kommen vorbei und verabschieden sich. Ich wünsche ihnen viel Erfolg, denn morgen Nachmittag geht es mit den Teambussen los in Richtung Wrocław. Wir laufen zum Parkplatz und das Licht auf dem Platz geht aus, es ist kurz vor 23 Uhr und die zweieinhalb Stunden Training bei Stuttgart Surge sind vorbei.
Dankesworte
Ich möchte mich bei Stuttgart Surge für den Besuch des Trainings bedanken und habe noch mehr Respekt vor den Spielern und dem gesamten Team, die viel Zeit und Energie in diesen schönen Sport investieren, ohne bisher eine optimale Trainingsstätte zu haben. Ohne die genauen Gründe zu kennen, wünsche ich Stuttgart Surge, dass sich dies in der nächsten Saison deutlich verbessert. Denn Football und GAZi-Stadion gehören einfach zusammen.
Grüße an dieser Stelle auch nochmal an den OFC United, deren Mitglieder viel Zeit und Geld aufbringen, um das Team bei den Spielen zu unterstützen. Als kleine Unterstützung von meiner Seite werde ich morgen wohl meine passive Mitgliedschaft beantragen.
Für mich geht ein besonderer Abend zu Ende. Rückblickend nach den Ereignissen in dieser Woche war dieser Abend wahrscheinlich das letzte normale Training mit Martin Hanselmann als Headcoach auf der Waldau und ich durfte dabei sein. Den aktuellen Interims-Headcoach konnte ich dabei auch schon erleben.
In unserem Gespräch erlebte ich an diesem Abend Martin Hanselmann selbst reflektiert und offen, weshalb ich mir persönlich sehr gut vorstellen kann, dass er nach dem darauffolgenden und niederschmetternden Spiel in Woche 7 gegen die Panthers seinen Rücktritt angeboten hat. Martin Hanselmann hat in seinen bisherigen Tätigkeiten viel für den American Football in Deutschland geleistet, was aus meiner Sicht großen Respekt und Anerkennung verdient. Ich wünsche ihm alles Gute für seine Zukunft.
Ich drücke Stuttgart Surge die Daumen, dass dieser Schritt das Team nach vorne bringt. Denn am Ende des Tages darf man nie außer Acht lassen, dass hinter den Teams der European League of Football in erster Linie unternehmerische Strukturen stehen.
