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Foto: Svenja Sabatini

𝗙𝗼𝗼𝘁 𝗕𝗼𝘄𝗹: Hallo Lukas. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast. Stell dich bitte kurz unseren Lesern vor.

𝗟𝘂𝗸𝗮𝘀 𝗦𝘁𝗶𝗻𝗴𝗹: Mein Name ist Lukas Stingl, ich bin 23 Jahre alt und spiele seit zehn Jahren Football. In derletzten Saison war ich Center und Long Snapper bei der Stuttgart Surge in der European League of Football.

𝗙𝗼𝗼𝘁 𝗕𝗼𝘄𝗹: Wie bist du zum Football gekommen?

𝗟𝘂𝗸𝗮𝘀 𝗦𝘁𝗶𝗻𝗴𝗹: Das ist inzwischen schon zehn Jahre her. Ich hatte damals lange nach einer Sportart gesucht, die mir gefällt. Gefühlt habe ich alles ausprobiert, doch zugesagt hat mir nichts. Sogar Judo und Schwertkampfhabe ich eine Zeit lang probiert, doch leider war auch das nichts für mich. Eines Tages bin ich mit meiner Mutter am Trainingsplatz der Königsbrunn Ants vorbei gefahren. Ich dachte mir, dass ich mir dasmal anschauen möchte. Seit ich dann das erste mal dort war, hat mich diese Sportart nicht mehr losgelassen.

𝗙𝗼𝗼𝘁 𝗕𝗼𝘄𝗹: Wie kamst du dann zu deiner Position in der O-Line?

𝗟𝘂𝗸𝗮𝘀 𝗦𝘁𝗶𝗻𝗴𝗹: Da ich vom Gewicht her noch nie der leichteste war, wurde ich einfach rein geschoben – im wahrstenSinne des Wortes. Die Coaches waren anscheinend auch der Meinung, dass ich mich gut machte. So binich O-Liner geblieben. Eine meiner Stationen war die Position des Centers, doch waren anfangs meineSnaps zu ungenau, weshalb ich anschließend lange als Tackle aktiv war.

𝗙𝗼𝗼𝘁 𝗕𝗼𝘄𝗹: Du sagtest, dass dich die Sportart nicht mehr losgelassen hat. Was genau fasziniert dich denn daran am meisten?

𝗟𝘂𝗸𝗮𝘀 𝗦𝘁𝗶𝗻𝗴𝗹: Das ist tatsächlich keine leichte Frage. Toll daran ist, dass du in jedem Spielzug Action hast. Und du wirst in keiner anderen Sportart ein so gutes Team-Gefühl finden. Du bist auf jeden angewiesen: egal, ob dick, dünn, groß, klein und egal, welche Hautfarbe. Rassismus hat im Football kein Mitspracherecht.

𝗙𝗼𝗼𝘁 𝗕𝗼𝘄𝗹: Gibt es denn beim Football auch etwas, dass du gar nicht leiden kannst?

𝗟𝘂𝗸𝗮𝘀 𝗦𝘁𝗶𝗻𝗴𝗹: Auf jeden Fall: langes Laufen.

𝗙𝗼𝗼𝘁 𝗕𝗼𝘄𝗹: Wenden wir uns der ELF zu. Was waren deine ersten Gedanken, als du von der ELF gehört hast?

𝗟𝘂𝗸𝗮𝘀 𝗦𝘁𝗶𝗻𝗴𝗹: Zuerst habe ich im Oktober/November von der ELF gehört, da ich angefragt wurde, bei denIngolstadt Praetorians zu spielen. Nachdem ich festgestellt habe, welches Potenzial die Liga hat, war klar, dass ich auf jeden Fall dabei sein möchte. Ich wollte auf dem höchsten Niveau, das für mich möglich ist, spielen. Ich war hyped, diesen Schritt zu wagen. Zwar wurde das in Ingolstadt leider nichts, aber dafür jadann in Stuttgart.

𝗙𝗼𝗼𝘁 𝗕𝗼𝘄𝗹: Wie hat es sich ergeben, dass du dann nach Stuttgart gekommen bist?

𝗟𝘂𝗸𝗮𝘀 𝗦𝘁𝗶𝗻𝗴𝗹: Mein Weg zur Surge war etwas holprig. Ich bin ohne Einladung einfach nach Stuttgart zum Combine gefahren und habe so mein Glück versucht. Mein eigentlicher Plan war es, bei Stuttgart als Tackle zu spielen. Anscheinend war ich ihnen dafür aber zu klein. Tatsächlich bin ich daraufhin ins Practice Squad aufgenommen worden, war also zuerst nicht im aktiven Kader. Anscheinend hat aber doch jemand erkannt, dass ich was kann (lacht). So bin ich noch vor dem ersten Spieltag in den aktiven Kader befördert worden. Ich war dann ab dem ersten Spieltag der Backup-Center. Doch im Laufe der Saison bekam ich immer mehr Spielzeit. So wurde ich ab Woche elf als Center eingesetzt, da sich Thomas [Ghebrezghiher – Anm. d. Red.] verletzt hatte. In Woche zwölf gegen Berlin war ich dann sogar Starter.

𝗙𝗼𝗼𝘁 𝗕𝗼𝘄𝗹: Erzähl uns doch mal, was die Aufgaben eines Centers sind.

𝗟𝘂𝗸𝗮𝘀 𝗦𝘁𝗶𝗻𝗴𝗹: Der Center ist die anspruchsvollste Position in der O-Line. Du musst die ganze Defensive lesen undBlocking-Calls geben. Falls du einen Linebacker blitzen siehst, musst du dies den anderen mitteilen. Dazukommt, dass du natürlich den Ball snappen musst. Das Snappen sieht zwar immer recht einfach aus, ist es aber nicht. Das Blocken eines Gegenspielers gehört auch dazu. Da du aber auch snappst, hast du dafür meist eine halbe Sekunde weniger Zeit als die anderen. Alles in allem muss man sehr viel mitdenken.

𝗙𝗼𝗼𝘁 𝗕𝗼𝘄𝗹: Was waren die größten Unterschiede für dich in der ELF?

𝗟𝘂𝗸𝗮𝘀 𝗦𝘁𝗶𝗻𝗴𝗹: Es gab riesige Unterschiede. Es war alles viel schneller, das Training war bis auf die letzte Minute getaktet. Deine Gegenspieler waren im Vergleich zu früher natürlich größer und besser, Die Technik der Spieler war ausgereift, so etwas hattest du in den unteren Ligen natürlich eher seltener.

𝗙𝗼𝗼𝘁 𝗕𝗼𝘄𝗹: Neben den sportlichen Unterschieden gab es auch eine andere mediale Aufbereitung der Spiele. Wie war es für dich zu wissen, dass du im Fernsehen zu sehen sein würdest?

𝗟𝘂𝗸𝗮𝘀 𝗦𝘁𝗶𝗻𝗴𝗹: Das war unbeschreiblich, Gänsehaut Pur. Ich habe davor in Königsbrunn vor etwa 300 bis 400 Zuschauern gespielt. Jetzt sind es auf einmal 100.000 Menschen oder sogar mehr, die dir im TV zusehen.

𝗙𝗼𝗼𝘁 𝗕𝗼𝘄𝗹: Da du ja aus der Nähe von Augsburg kommst, hattest du nach Stuttgart immer eine lange Anreisezeit. Wie hast du dein Privatleben, Arbeit und Football unter einen Hut gebracht?

𝗟𝘂𝗸𝗮𝘀 𝗦𝘁𝗶𝗻𝗴𝗹: Während der Saison hatte ich absolut keine Freizeit. Da ich mit der Bahn einen guten Arbeitgeber hatte, konnte ich für die Zeit in Teilzeit gehen. Montag, Dienstag und Mittwoch bin ich vor der Arbeit insFitness-Studio, um für mich zu trainieren. Irgendwann dazwischen konnte ich auch noch einige Stunden Schlaf ergattern. Am Donnerstag sind wir dann über das Wochenende nach Stuttgart gefahren. Am Montag begann die Woche dann wieder von neuem. Zuhause war ich eigentlich nur zum Schlafen und Duschen. In Stuttgart hatten wir dann neben etwas Freizeit auch Meetings und mussten trainieren. Die Woche war also gut durchgeplant. Trotzdem, ich liebe diesen Sport. Es war jede Sekunde wert.

𝗙𝗼𝗼𝘁 𝗕𝗼𝘄𝗹: Lass uns etwas in die Zukunft der ELF blicken. Es wurden für 2022 vier neue Franchises angekündigt. Was hältst du von dieser Expansion?

𝗟𝘂𝗸𝗮𝘀 𝗦𝘁𝗶𝗻𝗴𝗹: Ich finde es auf jeden Fall klasse. Auch für die Fans, die jetzt an mehreren Standorten den Sport unterstützen können. Da diese neuen Mannschaften ja schon Top-Teams in Europa sind, steigert sich zusätzlich das Niveau der ganzen Liga. Man kann gespannt sein, was die nächste Saison mit sich bringt.

𝗙𝗼𝗼𝘁 𝗕𝗼𝘄𝗹: Für 2022 wurde eine neue Kickoff-Return-Regelung eingeführt, um den Spielern mehr Schutz zu bieten. Eine gute Entscheidung?

𝗟𝘂𝗸𝗮𝘀 𝗦𝘁𝗶𝗻𝗴𝗹: Ehrlicherweise habe ich mich mit der Regel noch nicht richtig befasst. Was man aber sagen kann:Football ist ein Kollision-Sport, Verletzungen und Gehirnerschütterungen sind ein heikles Thema. Wenn man Verletzungen dadurch vermeiden kann, wäre es natürlich wünschenswert.

𝗙𝗼𝗼𝘁 𝗕𝗼𝘄𝗹: Wie fühlt es sich als Spieler in Stuttgart an, auf dem Feld zu stehen?

𝗟𝘂𝗸𝗮𝘀 𝗦𝘁𝗶𝗻𝗴𝗹: In Stuttgart hatten wir ein klasse Stadion, eines der besten in der Liga in dieser Saison. Wenn man hineinläuft, hört man sein eigenes Wort nicht mehr, da es im Jubel der Zuschauer untergeht. Was ich niemals vergessen werde, war, als wir gegen Leipzig zu Hause gespielt haben. Es war ein sehr knappes Spiel, das wir zum Glück gewonnen haben. In den letzten beiden Minuten waren die Fans so laut, dass ich die Spieler neben mir nicht mehr hören konnte. Das werde ich niemals vergessen, es war ein unbeschreibliches Gefühl.

𝗙𝗼𝗼𝘁 𝗕𝗼𝘄𝗹: Bleiben wir kurz in der Gefühlsecke. Welche Begebenheiten in deiner Karriere gab es, an die du gerne zurückdenkst?

𝗟𝘂𝗸𝗮𝘀 𝗦𝘁𝗶𝗻𝗴𝗹: Da gibt es mehrere Ereignisse. Als ich 2015 in der Bayern-Auswahl war, habe ich so viele tolle Erfahrungen gemacht und so viele Freunde kennengelernt. Das ist eine Zeit, die ich niemals vergessen werde. Dann in diesem Jahr natürlich das erste Spiel in Barcelona. Du fliegst nach Spanien für ein Football-Spiel, das noch dazu auf ran übertragen wird. Ich musste erst realisieren, was hier eigentlich gerade passiert und wo ich gerade bin. Unvergessliche Erinnerungen.

𝗙𝗼𝗼𝘁 𝗕𝗼𝘄𝗹: Dann blicken wir mal in deine eigene Zukunft. Wie schaut deine Football-Karriere in den nächsten Jahren aus? Würdest du gerne nochmal in der ELF spielen?

𝗟𝘂𝗸𝗮𝘀 𝗦𝘁𝗶𝗻𝗴𝗹: Auf jeden Fall hätte ich nochmal Lust, in der ELF zu spielen. Leider ist es mir im kommenden Jahr wegen der Arbeit nicht möglich, nochmal in Stuttgart zu spielen. Deswegen werde ich nächstes Jahr wieder zu meinem Heimatverein gehen, zu den Königsbrunn Ants. Aber wer weiß, was in den nächsten Jahren alles passiert. Ich bin ja noch jung.

𝗙𝗼𝗼𝘁 𝗕𝗼𝘄𝗹: Danke Lukas für deine Zeit, du hast jetzt das letzte Wort, das du an die Fans richten kannst.

𝗟𝘂𝗸𝗮𝘀 𝗦𝘁𝗶𝗻𝗴𝗹: Danke fürs Lesen des Interviews. Geht alle fleißig ins Stadion, sowohl bei den Königsbrunn Ants, als auch bei der Stuttgart Surge.

Lukas Stingl wird nächste Saison nicht für die Stuttgarter auflaufen, aber das Kapital ELF ist für ihn nicht zwangsläufig geschlossen. Wenn ihr mehr über Lukas erfahren wollt, können wir von Foot Bowl euch den Kanal von Sercan Vardar empfehlen. In seinen Videos über seine Zeit bei Stuttgart Surge war Lukas auch häufig zu sehen.

Link zu Bärcan: https://youtube.com/channel/UCPcKMomzVFD2aoXoX2Tx0fQ

Interviewer: Dominik Kircher