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Marcel Heinisch

Die dritte European League of Football Saison ist mit dem Finale in Duisburg und dem Titel für Rhein Fire zu Ende gegangen. Bei vielen Teams stehen große Veränderungen an, die gerade erst beginnen… dennoch will ich heute schon mal einen Ausblick auf die Saison 2024 wagen.

Beginnen wir auf der iberischen Halbinsel: Hier gibt es Zuwachs – die Madrid Bravos steigen in die ELF ein und werden neben den Barcelona Dragons das zweite spanische Franchise in der Liga stellen. Noch ist es relativ ruhig in der spanischen Hauptstadt. Ziele wurden aber schon definiert und via Social Media wird bereits aufs Gas getreten.

Von Bravo bis Clásico

“Muy claro” ist den Spaniern, dass sie in ihrer Premierensaison nicht um den Titel spielen werden, sondern erst einmal Fuß fassen möchten. Den Spielern der Bravos sollen hierfür bestmögliche Trainingsmöglichkeiten bereitgestellt werden, um dann mittel- bis langfristig gut dazustehen. Meines Erachtens ein guter Ansatz: Spieler sollte es im erweiterten Umfeld Madrids reichlich geben, man muss es nur schaffen, die Kräfte bei den Bravos zu bündeln. Und natürlich schielt der Madrilene bereits auf einen ganz besonderen Termin: Wer die spanische Seele auch nur etwas kennt oder versteht, weiß, dass das Duell mit den Barcelona Dragons dick im Kalender angestrichen wird. Egal in welcher Sportart … der Clásico hat einen ganz besonderen Stellenwert.

Foto: Madrid Bravos

Drachen ohne Zähne

Das bringt mich direkt zu einem der Sorgenkinder der ELF: den Barcelona Dragons. Kaum Zuschauer und sportlich eher im unteren Drittel der ELF angesiedelt. Viele fragen sich bereits “¿A donde vamos?” – wo soll es nur langgehen, in nächsten Jahr? Auch wenn man den Fans der Dragons eines zugestehen muss: Sie sind mit Herz und Seele dabei. Aber 500 Zuschauer füllen nicht unbedingt die Kassen des Franchise. Manch einer vermutet sogar die letzte Saison der Dragons in der höchsten europäischen Spielklasse. Soweit möchte ich nicht gehen. Spieler wie Toni Monton oder Jordi Torrededia sind ohne Frage ELF-taugliche Spieler. Es bedarf jedoch eines extrem guten Coachings sowie guter bis sehr guter US-Imports, damit es auch in Zukunft noch einen Clásico in der ELF geben wird. Das Duell mit den Madrid Bravos werden sich die Katalanen nicht entgehen lassen. Danach wird man sehen, wie es weitergeht. Und 2022 hatte auch niemand etwas von Barcelona erwartet …

Foto: Eric Ribé

Mückengeplagte Seemänner

Ziehen wir weiter nach Italien und somit zu einem weiteren Franchise, das nicht gerade ein Zuschauer Magnet ist. Die Milano Seamen haben ein Problem, das eng mit der Spielzeit der ELF verknüpft ist. In den Monaten Juni, Juli und August verlassen fast alle Mailänder, die es sich leisten können, die Stadt, da die Hitze und die Mückenplage kaum auszuhalten sind. Offense Linemen, die neben den Gegenspielern auch mit den summenden, kleinen Plagegeistern zu kämpfen hatten, haben zwar recht witzige Bilder geliefert, waren jedoch auch der Beweis dafür, dass es für die Akteure auf dem Feld alles andere als spaßig ist, im Mailänder Hochsommer zu spielen. Immerhin, sportlich konnten die Mailänder hier und da doch überzeugen. Platz 6 und somit die rote Laterne in der Central Conference waren jetzt keine Offenbarung, aber gerade in der Offense zeigten sich einige richtig gute Ansätze. Darauf lässt sich aufbauen.

Personell sind Veränderungen bekannt geworden, so wird Jim Ward von den Helvetic Guards nach Mailand ziehen und dort die Position des Headcoaches übernehmen. Ein durchaus nachvollziehbarer Schritt, hatte man doch während der Saison 2023 mehrmals das Gefühl, dass Stefan Pokorni immer wieder mal überfordert war. Jim Ward wechselt also vom Amt des Defense Coordinators in der Schweiz auf den Chefsessel in Mailand. Ich persönlich hoffe, dass der ein oder andere italienische Spieler in der Premierensaison der Seamen noch abgewartet hat, was das so wird mit der ELF, um nun vielleicht doch den Weg nach Mailand zu finden. Nichtsdestotrotz: Titelchancen gleich NULL.

Foto: Luciano Bisi

Gesamtpaket? Très chic!

Die Paris Musketeers sind schwach und wohl mit der Einstellung „Jeder kämpft für sich“ in ihre Premierensaison in der ELF gestartet, haben sich mit zunehmender Spielzeit jedoch zusammengerauft und konnten durchaus überzeugen. Mit der richtigen Einstellung und dem Teamgedanken im Gepäck hätten die Pariser sogar noch die Playoffs erreichen können. Dass es in Frankreich genügend Talent und Know-How in Sachen Football gibt, bezweifelt wohl niemand. Ein kurzer Blick auf die Roster der anderen ELF-Teams genügt, um zu sehen, wie viele herausragende französische Spieler zur Verfügung stehen.

Die Zuschauerzahlen sind in jedem Fall ausbaufähig, um es mal nett auszudrücken. Allerdings ist das Stadion ein absolutes Schmuckstück, auch wenn es für ELF-Verhältnisse vielleicht etwas überdimensioniert ist. Um zu ahnen, was bei den Musketeers noch kommen könnte, muss man die französische Seele kennen. Typisch wäre: Kommt der Erfolg, dann kommen auch die Zuschauer. Davon bin ich überzeugt. Und deshalb, sieht man sich das potenzielle Gesamtpaket an, würde ich mal sagen: Die Musketeers könnten DIE Überraschung in 2024 werden.

Foto: Marcel Heinisch

Schweizer Fragezeichen

Ein großes Fragezeichen leuchtet in meinem Hirn auf, wenn es um die Helvetic Guards geht. Owner, Backoffice und Stadion machten in der ersten Spielzeit der Eidgenossen einen richtig guten Eindruck. Zielsetzungen und Organisation ließen nichts vermissen. Spielerisch stehen jedoch einige Probleme auf dem Notizzettel.
Erstens, in der Schweiz ist unser Sport nicht gerade fest installiert. Der Pool an Homegrown-Akteuren ist daher klein und nicht gerade sportlich top. Hinzu kommt die Herausforderung, US-Spieler in die Schweiz zu holen, weil Arbeitserlaubnis und Aufenthaltsgenehmigungen ein nicht zu unterschätzendes Problem darstellen. Lauscht man auf das, was da so in die Alphörner geblasen wurde, so hatte man auch ein gewisses Coaching-Problem. Viele US-Amerikaner verstehen leider noch immer nicht, dass ein ELF-Spieler in der Regel von Montag bis Freitag einem regulären Job nachgehen muss – und eben kein Vollprofi ist. Außerdem soll es an Teamgeist gemangelt haben. In der ELF spielt eben nicht immer der, der fleißig am Training teilnimmt. Was zählt, ist die Leistung. Die Zuschauerzahlen waren übersichtlich, für Schweizer Verhältnisse allerdings absolut top. So hatte man mit schöner Regelmäßigkeit mehr Fans auf der Tribüne als das Endspiel der Schweizer Football-Liga auf sich verbuchen konnte.

Foto: Noa Monn

Teuflisch schwere Saison

Zum Abschluss dieses ersten Teils meines Ausblicks auf 2024 komme ich zu dem Team, das meines Erachtens eine ganz besonders schwere Spielzeit vor sich hat: die Hamburg Sea Devils. 2021 und 2022 noch Finalteilnehmer, wurden sie in 2023 mit schöner Regelmäßigkeit stark geschrieben … ohne jedoch auch nur einmal wirklich zu überzeugen.

Die hochgelobte Defense war nur noch ein Schatten ihrer erfolgreichen Jahre. Und die Offense kann man nur als absolutes Chaos bezeichnen. Das Verpassen der Playoffs war nur die logische Konsequenz. Hinzu kommt 2024 ein nicht zu unterschätzendes Problem: General Manager Max Paatz ist in seine Heimat Düsseldorf abgezogen und wird den Sea Devils fehlen. Er hat dieses Franchise aufgebaut, war Mädchen für alles, kurz: das Herz und die Seele der Sea Devils ist raus.

Die größten Baustellen der Hamburger kann man kaum benennen, es braucht einen kompletten Neuaufbau. Es fehlt ein ELF-tauglicher Quarterback, Moritz Maack ist ein Talent – ohne Frage – aber bislang nicht mehr als ein Backup. Die O-Line schwankt zwischen Talent und GFL3-Niveau. Und in der Defense ist die Baustelle noch größer. Kendrall Ellison ist nach München abgewandert, die D-Line konnte Abgänge wie Kasim Edebali oder Tim Hänni schon im vergangenen Jahr nicht kompensieren und wird auch 2024 ihre Probleme haben.

Mein Blick in die Glaskugel prophezeit den Hamburgern einen Platz weit weg von den Playoffs. Hört man gut hin, was die Schafe am Deich so diskutieren, so wollen die Sea Devils das leidige Thema Stadion mit einer Art „Nordtour“ umschiffen. Spielorte wie Bremen, Bremerhaven und auch ein- bis zweimal wieder das Volksparkstadion sind im Gespräch.

Ich wünsche den Sea Devils natürlich alles Gute! Ich habe aber die Vermutung, dass es eine teuflisch schwere Saison in der Hansestadt werden könnte.

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OPU

Jörg Opuchlik, kurz OPU, ist Kommentator und Moderator u.a. bei ranELF

One Comment

  • Stefan "gausi" gaussmann sagt:

    Lieber opu,
    Ein kleiner „böser“ Beigeschmack für die Pariser 2024 dürften die olympischen Spiele sein die dort die Sommermonate prägen wird..stadion/hotel Kapazitäten werden schwer oder nicht mehr so erschwinglich wie dieses Jahr…
    spielerisch sehe aber wie du dass es in Frankreich viel Potenzial gibt und das für Paris Früchte tragen wird..

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